Gruppe: NachtSicht

Hessischer Schultheaterpreis 2014!

Inklusive Theatergruppe „Nachtsicht“ erhält Hessischen Schultheaterpreis für das Stück „Fadenkreuz“

Mitten ins Schwarze trafen die elf blinden, sehbehinderten und sehenden Schauspieler der Marburger Theatergruppe „Nachsicht“ mit  ihrem Stück „Fadenkreuz“.  Nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Jury des „Hessischen Schultheaterpreises“ zeigte sich von der Eigenproduktion unter der Regie und choreographischen Leitung von Karin Winkelsträter begeistert. Sie lobte insbesondere die körperliche Präsenz der Darstellerinnen und Darsteller und die eigenständige Auseinandersetzung mit dem Thema „Erwachsenwerden“.

In den mittlerweile 17 Jahren Theaterarbeit an der blista ist „Fadenkreuz“ bereits die sechste Produktion, die mit dem „Hessischen Schultheaterpreis“ ausgezeichnet wurde.

Text von Lou Meckelnburg zur Produktion:

Mein Lebensfaden hat eigentlich gar keine Farbe! Ich sehe nur grau und schwarz…

Mach das Licht aus, dann fühle ich mich nicht mehr so allein, so ausgestellt, so zurecht gewiesen….

Und was soll das überhaupt mit diesen blöden Zielen, wo’s doch danach sowieso weiter geht! … Irgendwie – ich weiß nicht wie, aber es wird… das Leben hört nicht einfach auf und die Zukunft lässt sich nicht wirklich planen…. der einzig wahrhaftige Augenblick ist jetzt, gerade jetzt …. und im nächsten Moment schon Vergangenheit. Was also ist Zukunft?

Da, wo sich unsere Fäden berühren?


Stellungnahme der Jury

Im aktuellen Stück finden sich die jugendlichen Darsteller durch alte Ängste und neue Erwartungen gefesselt im „Fadenkreuz“ wieder, im gefährlichen Balanceakt zwischen ausgelassener Jugend und dem drohenden „Ernst des Lebens“. Dieser Zwiespalt drückt sich in vielfältiger Weise aus. Jeder macht seinen Gefühlen Luft, wie er kann: manche singen, andere tanzen, es wird musiziert und mitten aus der Dunkelheit erklingt plötzlich eine menschliche „Beatbox“.

Zwischen den Stühlen sitzen die Spieler und Spielerinnen jedoch alle. Und zwar nicht nur im übertragenen, sondern auch im sorgsam choreographierten, bildlichen Sinne. Bewegung ist das wesentliche Element. Die Jugendlichen überzeugen durch ihre Präsenz: es werden trotzig Grimassen geschnitten, spöttisch Mundwinkel verzogen, empört  Arme verschränkt, zornig Füße gestampft oder die säuberlich vorgeschriebene Stuhlordnung buchstäblich auf den Kopf gestellt.

Auf den Kopf gestellt werden die Weltbilder der Zuschauer jedoch nicht nur durch diese mimische und gestische Fülle, sondern auch durch gelegentlich aufgerollte Textpassagen: ’Wenn dein Leben ein Buch wäre, wie hieße das nächste Kapitel?’, ’Ist der Teufel zufrieden mit mir?’, ’Wieso erlaubt sich die Welt den Luxus, mich zu haben?’ Warum sind die Sterne am Himmel so unordentlich verteilt?’

Wie auch die Interaktionen des Ensembles selbst folgen diese verbalen Einschübe keinem konsequenten roten Faden, sondern verbinden in ständiger Abwechslung verschiedene Aspekte des Erwachsenwerdens. Anpassung und Unabhängigkeit, Loslassen und Leistungsdruck, Orientierungslosigkeit und Sinnsuche sind Teil dieses schwierigen Werdegangs. Es wird eine visuelle Geschichte erzählt, obwohl die meisten der Schauspieler nichts oder nur sehr wenig sehen. Also im besten Sinne ein inklusives Theatererlebnis für Zuschauer und Darsteller. 

Klaus Belz

Mitwirkende:

Text: Karin und Ensemble

Regie: Karin Winkelsträter

Assistenz: Lou Meckelnburg

Bühne: Karin Winkelsträter

Technik: Jaqueline Buss

Fotos: Nico T. Fabian

Plakat / Flyer: Jessi Dietz

Schauspielende:

Antonia NetterCindy ChoiJim KleuserJohn WollenbergLuca SchwarzMahdi OssailyNici RiegerNina HübnerSophia NeisesThomas Schwellenbach